Zehn Tage Indien: ein Blick hinter die Kulissen

Interview zur Projektreise nach Indien im April 2018

Indien. Beim Gedanken an dieses Land erscheinen so manch begeistertem Urlauber bunte Farben, der Taj Mahal oder Teeplantagen vor Augen, andere denken an Yoga-Retreats und Ayurveda-Kuren, verschiedenste Gewürze, den Dalai-Lama oder an große Hightech-Unternehmen. Doch auch Armut, Lärm und Umweltverschmutzung gehören zum, nach der Volksrepublik China, bevölkerungsreichsten Land der Erde. Vereinsobfrau Stephanie Adler gewährt uns Einblicke, wie es ihr auf ihrer Projektreise ins Land der Gegensätze ergangen ist.

Gemeinsam mit Stefan von der Child & Family Foundation hat sich Vereinsobfrau Stephanie Adler auf den Weg nach Indien gemacht, um die mithilfe der Greenfinity Foundation errichtete Photovoltaikanlage an der Dhara Children Academy, deren Renovierung von der Child & Family Foundation gefördert wird, zu besichtigen. Zudem standen zwei Projekte zur Umweltbildung der Schüler am Programm.

Dhara Children Academy Indien

I: Für welches Projekt, wo und wie lange warst du auf Projektreise?

S.A.: Wir waren im April im Rahmen unseres Projekts an der Dhara Children Academy zehn Tage lang in Thakurdwara, das liegt rund 220 Kilometer nordöstlich von Delhi.

Greenfnity Foundation Project Visit

I: Warum unternimmst du immer wieder Projektreisen?

S.A.: Zum einen dienen Projektreisen dazu, vorab zu evaluieren, ob wir ein bestimmtes Projekt umsetzen möchten und können. Wenn das Projekt bereits läuft, geht es darum, den Projektfortschritt oder das Ergebnis zu sehen. Zudem ist es für Abstimmungen und für die Planung weiterer Maßnahmen extrem hilfreich, wenn man sich mit den Projektpartnern vor Ort an einem Tisch zusammensetzen kann.

Über Skype gestaltet sich die Kommunikation manchmal schwierig, da es oft an einer guten Internetverbindung mangelt. Bei der Umsetzung eines Projekts können auch Probleme auftreten, für die man dann gemeinsam vor Ort Lösungen suchen muss. Außerdem können wir auf unseren Reisen die Möglichkeit nutzen, kleine bewusstseinsbildende Projekte umzusetzen.

I: Was war das Ziel dieser Reise?

I.A.: Wir wollten die neu Installierte Photovoltaikanlage evaluieren, im Rahmen einer Müllsammelaktion und eines Aufforstungsprojekts Aktionen zur Bewusstseinsbildung bei den Schülern umsetzen und den weiteren Bedarf an Unterstützung erheben. Ein wichtiger Teil der Projektreise waren auch die Abstimmungen mit dem Projektpartner in Bezug auf die weiteren Ziele und Administratives wie Rechnungen. Aber auch die Lösungsfindung für Herausforderungen, die sich bei der Umsetzung der Projekte ergaben, waren Ziel dieser Projektreise.

Greenfinity Foundation reforestation
Greenfinity Foundation waste collecting
Greenfinity Foundation photovoltaik
Greenfinity Foundation reforestation

I: Nicht nur im Zuge deiner Projektarbeit bei der Greenfinity Foundation bist du schon viel herumgekommen, auch privat bereist du gerne fremde Welten …

A: Für Projekte war ich schon in Brasilien, Nigeria und auf den Philippinen. Privat habe ich auch schon Länder wie Nicaragua oder Botswana bereist.

School in India

I: Man könnte also sagen, du hast schon einiges von der Welt gesehen und dich kann nichts mehr erschüttern?

S.A.: Jedes Land ist anders. In jedem Land stößt man auf ganz unterschiedliche Herausforderungen, denn es unterscheiden sich nicht nur die Kulturen sehr stark voneinander, sondern auch das Klima. In Indien war zum Beispiel die Hitze eine riesige Herausforderung. Nach einem sehr kalten Winter in Österreich in ein Land zu reisen, wo es mindestens 40°C im Schatten hat, kostet den Körper extrem viel Energie.

Greenfinity Foundation project vistit India

Im Urlaub ist das nicht so ein großes Problem, denn da kühlt man sich beim Schwimmen im Meer ab oder gibt dem Körper mehr Zeit zur Erholung. Wenn man jedoch zum Arbeiten hier ist, sieht das schon ganz anders aus.

I: Was unterscheidet Indien von den Ländern, die du bisher bereist hast?

S.A: Ich denke, Indien ist ein Land der Gegensätze. Es gibt eine extrem hochentwickelte, reiche Seite des Landes und eine extrem arme, unterentwickelte. Was auf jeden Fall eine neue Erfahrung war, ist die Menge an Menschen. Man ist nie alleine und alles ist dicht gedrängt – so auch in der Dhara Children Academy. Die Räume sind extrem klein und der Platz wird voll ausgenutzt. Das Lernumfeld ist nicht optimal, die Räume haben keine Fenster und Türen – aber besser so, als gar keine Ausbildung …

Dhara Children Academy India

I: Welchen Herausforderungen bist du in Indien begegnet?

S.A: Auf Projektreisen in uns derart fremde Länder sind es immer die banalen alltäglichen Dinge, in denen die größten Herausforderungen lauern: Wir sind die örtlichen Bakterien nicht gewöhnt. Das Gemüse wird mit unserem Organismus fremden Spritzmitteln behandelt. Da empfiehlt es sich, besser kein Leitungswasser zu trinken und kein ungeschältes Gemüse zu essen.

Greenfinity Foundation invited at local families in India

Das klingt leichter, als es ist, denn Eiswürfel landen schnell im Getränk und zudem sind die Menschen in Indien extrem gastfreundlich. Überall wird man mit regionalen Spezialitäten bewirtet. Man möchte die Menschen nicht beleidigen, indem man ihr Essen verschmäht (was gerade in einer armen Region ein ganz heikles Thema sein kann), aber auf der anderen Seite will man sich auch keine Magenprobleme einhandeln.

I: Wie ist es dir dabei ergangen?

S.A: Auf „Steirisch“ würden man sagen: Ich habe wohl einen Saumagen. Meine zwei Kollegen hatten weniger Glück und mussten sich im Laufe der Reise dann auf Cola und einfachen Reis beschränken.

I: Wie empfandest du die Zusammenarbeit vor Ort?

S.A: Zum einen waren es die Herzlichkeit, die Nähe sowie die Offenheit der Menschen, die uns positiv überrascht haben – nicht nur seitens unserer Projektpartner, sondern auch von Seiten der Familien der Schüler, die wir besuchen durften.

Zum anderen war die Arbeitsweise der Inder für uns sehr gewöhnungsbedürftig. Wir Europäer sind extrem strukturiert, für berufliche Reisen gibt es eine strikte Agenda, alles ist bis ins kleinste Detail durchgeplant und man weiß, was einen erwartet. In Indien ist das anders.

Project vistit Stepahnie Adler

Da heißt es, dem Projektpartner vertrauen. Manchmal weiß man zu Beginn der Autofahrt noch nicht, wo sie einen hinführt.

Auf solchen Projektreisen muss man sich vor Augen halten, dass jede Kultur anders funktioniert, denn es sind nie die eigenen Werte, die als einzige immer und überall auf der Welt gültig sind. Man sollte stets eine Portion Geduld und Flexibilität aufbringen, wenn man beruflich in fremden Ländern unterwegs ist.

Stephanie Adler in India with locals

I: Welche speziellen Erlebnisse wirst du wohl nie vergessen?

S.A: Zwei Erlebnisse werden mir wohl noch lange in Erinnerung bleiben:

Die Menschen der Region sind nicht an Ausländer gewöhnt und haben teils extremen Respekt vor ihnen. Einmal sind wir nachmittags zu einem Termin gefahren worden. Wir saßen dann dort in einem Raum mit einigen Indern, aber nichts passierte. Wir wussten nicht, worauf wir warteten. Am Ende stellte sich heraus, dass unser Termin eigentlich eine Pressekonferenz war, aber die Journalisten sich nicht trauten, uns Fragen zu stellen.

Pot cooking over open fire in India

Ein andermal haben wir gesehen, wie unser Essen zubereitet wurde: über einer offenen Feuerstelle, die mit getrockneten Kuhfladen befeuert wurde. Das ist zwar im Sinne der Nachhaltigkeit sehr vorbildlich, aber aus kulinarischer Sicht jedoch mehr als gewöhnungsbedürftig. 

Spezielle Erlebnisse gäbe es aber noch weit mehr, da könnte ich noch lange erzählen. ?

I: Als Obfrau der Greenfinity Foundation hast du sicher auch Eindrücke mitgenommen, was die Umwelt angeht?

S.A: Ja, ich denke, das war einer der größten Kulturschocks für mich. Indien hat ein immenses Müllproblem. Ich habe noch nie ein derartiges Maß an Umweltverschmutzung gesehen. Man hat das Gefühl, es gibt keine Entsorgung und keinerlei Umweltbewusstsein.

wasteproblem in India
waste problem in India

I: Kann man den Indern das vorwerfen? Oder resultieren ihr Unwissen und ihre Untätigkeit aus der Armut der Bevölkerung?

S.A: Umweltbewusstsein hat mehr mit Bildung zu tun. Auch in der Kinderrechtskonvention findet Umweltbildung explizit Erwähnung. Wenn es aber aufgrund der Armut keine oder nur sehr schlechte Schulen gibt, dann bleibt auch die Umweltbildung auf der Strecke.

 

I: Wohin wird deine nächste Reise gehen?

A: Nach Brasilien, in die Region Bahia. Hier war ich zuletzt vor drei Jahren im Rahmen unserer Brunnenbauprojekte. Dieses Jahr sollen in der Region zusätzlich auch biologische Gärten entstehen.